Zusammenfassung
der Studie zu Brainfog und
zerebraler Perfusion
Link: Seeley, MC., O’Brien, H., Wilson, G. et al. Novel brain SPECT imaging unravels abnormal cerebral perfusion in patients with postural orthostatic tachycardia syndrome and cognitive dysfunction. Sci Rep 15, 3487 (2025). https://doi.org/10.1038/s41598-025-87748-4

Brainfog
PoTS und kognitive Problemen - wirklich bahnbrechende Studienergebnisse aus Australien!
Marie-Claire Seeley und ihr Forschungsteam gingen der Frage nach, wie es um die Durchblutung im Gehirn von Menschen mit PoTS (Posturales Tachykardie Syndrom) steht, die unter Konzentrationsschwierigkeiten oder „Brain Fog“ leiden. Dafür nutzten sie eine spezielle Hirnscan-Methode namens ‚SPECT’ Single-Photon-Emissionscomputertomographie). SPECT ist eine Art „Kamera“, die den Blutfluss im Gehirn sichtbar macht. Wenn eine Hirnregion aktiv ist, braucht sie mehr Sauerstoff – und damit mehr Blut. SPECT zeigt also, wo das Gehirn gerade „Energie tankt“.
Das Ergebnis: Bei 61 % der POTS-Betroffenen mit kognitiven Beschwerden war die Gehirndurchblutung deutlich vermindert – und das im Liegen, also ohne dass diese aufstanden oder sich anstrengten. Das ist besonders interessant, weil PoTS-Symptome wie Schwindel oder Herzrasen normalerweise erst im Stehen schlimmer werden. Die Studie legt nahe: Selbst in Ruhe könnte das Gehirn von Betroffenen nicht ausreichend versorgt sein, was den „Brain Fog“ erklären würde. Es handelt sich um die erste größere Studie, die SPECT bei PoTS-Patienten verwendet hat, um diesen Zusammenhang zu erforschen. Das ist von besonderer Bedeutung, da SPECT Scans nicht nur für medizinische Forschung möglich sind, sondern in vielen Krankenhäusern in Deutschland regulär für unterschiedliche Untersuchungen im Einsatz sind.
Wie genau wurde die Gehirndurchblutung gemessen?
Die Daten stammten aus einem australischen PoTS-Register. 56 PoTS-Patienten (88 % weiblich, Durchschnittsalter 34,8 Jahre), die über kognitive Probleme klagten, hatten eine SPECT-Untersuchung im Liegen erhalten.
Um zu bewerten, ob die Durchblutung normal war, verglich das Studienteam die Scans der PoTS-Patienten mit denen gesunder Menschen. Dafür nutzten sie ein statistisches Werkzeug (Z-Score), das zeigt, wie sehr ein Wert vom Durchschnitt abweicht. Konkret:
Ein Score über 2 bedeutet, die Durchblutung liegt weit unter dem Normalen und gilt damit als sehr auffällig. So konnten die Forschenden genau feststellen, welche Hirnregionen bei PoTS-Betroffenen schlechter versorgt waren.
Welche Gehirnbereiche sind bei PoTS betroffen?
Die SPECT-Bilder offenbarten: Vor allem zwei Regionen litten unter Unterversorgung:
1. Der seitliche präfrontale Kortex (links und rechts): Hier sitzen „Manager-Funktionen“ – Planen, Prioritäten setzen, Entscheidungen treffen, Impulse kontrollieren. Das könnte erklären, warum Alltagsaufgaben wie Termine koordinieren und Multitasking für viele PoTSies so anstrengend sind.
2. Der sensomotorische Kortex (links und rechts): Verarbeitet Sinneseindrücke (z. B. Berührung) und steuert Bewegungen. Eine Unterversorgung hier könnte zu Symptomen wie Kribbeln oder Koordinationsproblemen beitragen.
Auch der Pons (Teil des Hirnstamms: Steuert Grundfunktionen wie Atmung und Schlaf-Wach-Rhythmus) und der untere Parietalkortex (spielt u. a. bei räumlicher Wahrnehmung und Aufmerksamkeit eine Rolle) waren oft betroffen. Insgesamt zeigten fast alle Hirnareale tendenziell weniger Durchblutung als bei Gesunden.
Spielt dabei der Auslöser des PoTS eine Rolle?
Egal, ob PoTS nach einer COVID-19-Infektion, einer OP, einer Gehirnerschütterung oder einer Schwangerschaft begann – die Durchblutungsstörungen im Gehirn traten unabhängig vom Auslöser auf. Zwar hatten 75 % der Long-COVID-Patienten auffällige SPECT-Befunde, aber statistisch war kein Auslöser „schlimmer“ als andere. Das deutet darauf hin, dass die Minderdurchblutung ein generelles Merkmal von PoTS mit kognitiven Symptomen sein könnte und zwar unabhängig davon, wie die Erkrankung entstand. Das könnte bedeuten, dass Therapien, die die Durchblutung verbessern, vielen Betroffenen helfen – egal, wie ihr PoTS entstand.
Hängen die Durchblutungsprobleme mit anderen PoTS-Symptomen zusammen?
Untersucht wurden Autonome Symptome (Herzrasen, Schwindel etc., verwendeter Test Compass 31), Magen-Darm-Beschwerden (Übelkeit, Blähungen etc.) und die Lebensqualität. Interessanterweise waren autonome Symptome (z. B. Herzrasen) oder Magen-Darm-Beschwerden allein nicht direkt mit den SPECT-Ergebnissen verknüpft. Aber in Kombination hatten sie großen Einfluss:
Je mehr Hirnregionen schlecht durchblutet waren und je stärker die autonomen bzw. Verdauungsprobleme, desto schlechter war die Lebensqualität.
Betroffene mit Durchblutungsstörungen berichteten zudem deutlich häufiger von Einschränkungen im Alltag – etwa beim Gehen oder Erledigen von Aufgaben.
HEDS-Korrelation: Es gab einen hohen Prozentsatz von Patienten mit dem Hypermobilitäts-Ehlers-Danlos-Syndrom (hEDS) in der Gruppe mit der abnormalen zerebralen Durchblutung.
Warum ist das für die Lebensqualität so relevant?
Die Studie zeigt: PoTS-Patienten mit kognitiven Problemen bewerten ihre Gesundheit und Lebensqualität (EQ-Utility-Score) ähnlich niedrig wie Menschen mit schweren chronischen Erkrankungen (z. B. Nierenversagen). Die Kombination aus Gehirndurchblutung + Symptomlast war dabei entscheidend.
Ein Beispiel aus der Studie:
Der EQ-Utility-Score (ein Maß dafür, wie sehr die Gesundheit das tägliche Leben einschränkt) lag bei den Teilnehmenden unter der von Diabetes- oder Herzkrankheits-Patienten.
Das unterstreicht, wie stark PoTS das Leben beeinträchtigen kann, besonders, wenn das Gehirn nicht ausreichend versorgt ist.
Was bedeutet diese Studienergebnisse für die Zukunft?
Die Ergebnisse sind ein wichtiger Schritt, um PoTS besser zu verstehen. Sie legen nahe, dass schon bislang genutzte Therapien, die die Durchblutung oder autonome Funktion verbessern, möglicherweise auch gegen „Brain Fog“ helfen könnten. Zukünftige Studien sollten prüfen, ob Therapien wie angepasstes körperliches Training, Vasokonstriktoren (gefäßverengende Medikamente) oder Flüssigkeitsmanagement (Trinken, Elektrolyte/Salz) die Gehirndurchblutung bei PoTS, sowie den Brainfog und die Lebensqualität verbessern können. Prospektive Studien könnten hier den Weg ebnen – etwa durch SPECT-Scans vor und nach gezielten Behandlungen.
Das Studienteam betont aber auch: Es braucht weitere Forschung, um zu klären, warum die Durchblutung gestört ist.
Was sind die Grenzen der Studie?
Keine Studie ist perfekt – auch hier gab es Einschränkungen:
1. Retrospektive Daten: Die SPECT-Scans wurden nicht extra für die Studie gemacht, sondern waren bereits vorhanden. Dadurch fehlten z. B. einheitliche Tests zur kognitiven Leistung.
2. Vergleichsgruppe: Die gesunden Kontrollpersonen stammten aus einer Datenbank, nicht aus der Studie selbst.
3. Keine zusätzlichen Scans: Andere Verfahren wie MRT wurden nicht genutzt, die noch detailliertere Einblicke geben könnten.
4. Die SPECT Aufnahmen wurden alle im Liegen gemacht. PoTSies beschreiben i.d.R. stärkere Symptome im Stehen, siehe auch die Studienergebnisse der POTSKOG aus Aachen. Daher wären SPECT Scans im Stehen noch interessanter.
Warum das Hoffnung macht
Die Studie zeigt: Der „Brain Fog“ bei PoTS ist kein Rätsel – er könnte eine messbare physiologische Ursache haben. Wenn zukünftige Studien beweisen, dass Therapien nicht nur Symptome lindern, sondern direkt die Gehirndurchblutung verbessern, wäre das ein Gamechanger. Wir brauchen jetzt klinische Studien, die gezielt prüfen: Welche Therapie bringt das Blut zurück ins Gehirn?
Quellen:
Seeley, MC., O’Brien, H., Wilson, G. et al. Novel brain SPECT imaging unravels abnormal cerebral perfusion in patients with postural orthostatic tachycardia syndrome and cognitive dysfunction. Sci Rep 15, 3487 (2025). https://doi.org/10.1038/s41598-025-87748-4
Maier, A., Schopen, L., Thiel, J.C. et al. Cognitive functioning in postural orthostatic tachycardia syndrome among different body positions: a prospective pilot study (POTSKog study). Clin AutonRes33, 459–468 (2023). https://doi.org/10.1007/s10286-023-00950-0